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Nothilfe

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,


bereits zur letzten Landtagswahl haben Sie den niedersächsischen Studierenden große
Zahlen versprochen und im darauffolgenden Koalitionsvertrag klare Ziele definiert.
Dazu gehören ein verlässlicher Hochschulentwicklungsvertrag über einen jährlichen
Aufwuchs des Grundhaushaltes, ein jährlicher Aufwuchs für die Studierendenwerke und den
Ausbau sozialer Infrastruktur wie zum Beispiel der Kinderbetreuung. Ihr gesetzter Tenor:
„Wissenschaftspolitik ist Regionalentwicklung“.
Bisher wurden jedoch für die Studierenden lediglich €30 Mio. als Nothilfe für die
Studierenden auf ganz Niedersachsen ungleich ausgeschüttet. Pro-Kopf gerechnet sind das
gerade einmal ungefähr €150,00 für alle immatrikulierten Studierenden (WiSe 2022,
aufgerundet). Diese Gelder entsprechen den Verwaltungskostenbeiträgen für ein ganzes
Jahr. Gleichzeitig fällt den Studierenden die sprichwörtliche Decke auf den Kopf. Denn über
die bekannten €3,1 Mrd. Investitionsstau an den Hochschulen wurde überhaupt noch nicht
gesprochen.


Dabei benötigen die Studierenden jetzt dringend Hilfen, die sie langfristig finanziell entlasten
und damit das Studieren wieder erschwinglich machen.
Die €30 Mio. Nothilfe, sieht auf dem ersten Blick sehr gut aus, jedoch hält diese einen
zweiten kaum stand. Eine solche spezielle Hilfe bringt erst etwas, wenn diese
gleichermaßen an die entsprechenden Institutionen ankommt. Wir reden hier von
dringlichen Hilfen und einer so schwerwiegenden Situation, die alle Institutionen
gleichermaßen getroffen hat, sodass eine homogene Ausschüttung mit einer vorgegebenen
Laufzeitbeschränkung bis Ende 2024 das effektivste und ehrlichste in so einer Situation
gewesen wäre.


Diese Verwendung der Gelder seitens des Landes bedarf gewisser Vorgaben. Diese
wurden im Einzelnen durch die Geschäftsführenden der niedersächsichen
Studierendenwerke, die sich in der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Niedersachsen
zusammengeschlossen haben, ausgearbeitet und in einer eigenen Pressemitteilung vom
09.12.2022, weiter kommuniziert.


Dabei wurde sich mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur auf insgesamt sechs
Punkte als Unterstützungsmöglichkeiten geeinigt. Darunter zählt beispielsweise die
Einrichtung von Nothilfefonds, die Einführung des Niedersachsen-Menüs zu einem
Festpreis und der Stopp aller energiekostenspezifischen Preiserhöhungen in den Mensen.
Doch in der betreffenden Pressemitteilung wird bereits von „Je nach Bedarf und
Möglichkeiten“ gesprochen.
In der Ausgestaltung führte dies zu einem Flickenteppich und einer standortbezogenen,
statt einer studierendenorientierten Ausschüttung.
Die jeweiligen Studierendenwerke erhielten dadurch Gelder in folgender Höhe:
Osnabrück rd. €3,8 Mio.,
Göttingen rd. €4,8 Mio.,
Oldenburg rd. €5,1 Mio.,
Hannover rd. €5,3 Mio. und
Ost-Niedersachsen rd. €11 Mio.


Somit bekommen einige Standorte pro Studierenden, gerade mal etwa €100,00 (bspw.
Hannover), während andere Standorte fast €200,00 (bspw. Oldenburg) erhalten haben.
Das ist unter keinen Umständen eine ausgewogene Verteilung und das obwohl diese Hilfen
den absoluten Zweck haben, die Studierenden durch die Studierendenwerke aktiv zu
unterstützen, indem Vorgaben an die Gelder geknüpft wurden, die eingehalten hätten
werden müssen.


Deutlich problematischer ist die Verwendung dieser finanziellen Mittel, da durch die vagen
Formulierungen der Arbeitsgemeinschaft Spielraum für die Studierendenwerke geschaffen
worden ist und Studierendenwerke erlauben können, den Bedarf von Nothilfefonds
abzustreiten. So kommt es, dass das Studierendenwerk Osnabrück keinen Nothilfefonds
aufgestellt hat – völlig widersprüchlich zur prekären Lage der Studierenden und bisherigen
Untersuchungen (siehe Paritätische Forschungsstelle 2022, Armut von Studierenden in
Deutschland). Auf Nachfrage sagte eine Angestellte des Studierendenwerks Osnabrück
aus, dass es so einen Fond nicht gäbe, da man keine Veranlassung dazu sehe, diesen
einzurichten. In den anderen Studierendenwerken wurden bestehende Fonds aufgefüllt, jedoch mit vollkommen unterschiedlichen Gewichtungen im Bereich Umfang und
Ausschüttungen. Hierbei ist eine gemeinsame, beziehungsweise belastbare Absprache
oder Vorgehen nicht zu erkennen.


Allerdings hört das Unverständnis gegenüber der Ausgestaltung der finanziellen Mittel dort
noch nicht auf:
Repräsentativ ist hierbei das Niedersachsen-Menü, bei dem die größte inhaltliche
Schnittmenge das Logo ist. Nicht einmal der angepriesene Einheitspreis von €2,50 ist
überall identisch. Während die geschäftsführenden Personen der niedersächsischen
Studierendenwerke diese Menüs für €2,50 gemeinsam anbieten wollen, ziehen nicht alle
mit. Darunter auch das Studierendenwerk Oldenburg, welches ein Menü als NiedersachsenMenü
anbietet und um €1,00 zum eigentlichen Verkaufspreis vergünstigt anbietet. Dies
bedeutet, dass dieses Menü an verschiedenen Tagen unterschiedlich viel kostet. An
anderen Standorten ist dem Menü sogar ein zusätzliches Getränk beigefügt ist und an
anderen wiederum nicht. Hinzu kommt, dass an vielen Standorten die Gelder zur
Subventionierung des günstigen Mensa-Essen gerade mal bis Mitte des Jahres 2024
ausreichen, an anderen Standorten reichen diese bis Ende 2024.
Diese Beispiele zeigen nur die Spitze der Strukturlosigkeit und sind exemplarisch für das
Durcheinander in der Gestaltung von Unterstützungsmaßnahmen. Obwohl das Studium
vieler Studierenden davon abhängig ist.
Außerhalb der Mensen und den Studierendenwerken geht es jedoch um viel mehr und der
Umgang mit den €30 Mio. ist exemplarisch für die aktuelle Schieflage. Laut Stifterverband
sind für Hochschulen die Energiekosten des letzten Semesters bereits um ca. €1,3 Mrd.
gestiegenen und diese werden durch den Grundhaushalt oftmals nicht ausreichend
gedeckt. Das führt zu Hochschulen die im nächsten Wintersemester ihre Studierenden
wieder frieren lassen. Dazu kommen durch die Inflation steigende Lebensmittelkosten, hohe
Mieten, wachsende Semesterbeiträ ge, absolut sinkende Löhne, fehlende BAfö GErhö
hungen und geringe Einmalzahlungen, die für eine Unbezahlbarkeit des Studiums
sorgen. Die Lebenserhaltungskosten werden zu hoch. Immer mehr Menschen können sich ein
Studium aufgrund eben dieser insgesamt zunehmenden Kosten nicht mehr leisten und andere brechen vorzeitig ab. Dies sind u.a. hinreichende
Gründe für die sinkende Zahl an Studierenden. Das ist eines der größten Armutszeugnisse
Niedersachsens.
Um also die Versprechen als Positionen des Koalitionsvertrages einzuhalten, die
Attraktivität der Standorte nicht verfallen zu lassen, die Studiengebühren nicht erhöhen zu
müssen , 30% der Studierenden aus prekären Lebenslagen zu holen, die soziale Ungleichheit nicht rasant steigen zu lassen und das Studieren nicht zum Luxus werden zu lassen, bedarf es Ihrer Aussprache gegen die Schuldenbremse und das sofortige Stoppen aller Sparmaßnahmen.

Dafür braucht es langfristige Entlastungen für Studierende und sichere Investitionen:

  • Erhöhung des jährlichen Aufwuchses des Grundhaushalts über den Hochschulentwicklungsvertrag.
  • Erhöhung des Aufwuchses für die Studierendenwerke um mindestens 5 Prozentpunkte (inflationsbereinigt) pro Jahr, um die Attraktivität und Substanz der Studienstandorte langfristig zu erhalten – bei €17,3 Mio. beginnend.
  • Anerkennung des €3,1 Mrd. Investitionsstaus und Entwicklung eines Maßnahmeplans.
  • Ausreichende Deckung der Energiekosten aller niedersächsischen Hochschulen
  • Bereitstellung einer angemessenen sozialen Infrastruktur wie Kinderbetreuung, um den Studierenden eine Vereinbarkeit von Studium und Familie zu ermöglichen und dem Ziel der Gleichberechtigung näher zu kommen.
  • Integration des €29-Bildungstickets in das Semesterticket, um die Studierenden langfristig auch mit Mobilitätsangeboten zu entlasten.
  • Durchführung der geplanten Abschaffung der Verwaltungskostenbeiträge zeitnah und Abschaffung von Langzeitstudiengebühren, um die seit Jahrzehnten steigende Finanzierungslast des Studiums für die Studierenden zu reduzieren und die Chancengleichheit im Hochschulbereich zu erhöhen.
  • Senkung der Studierendenwerksbeiträge, um den steigenden Lebenserhaltungskosten entgegenzuwirken.
  • Einführung eines Tarifvertrages für studentische Beschäftigte an niedersächsischen Hochschulen, um Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich zumindest durch Erwerbsarbeit über Wasser zu halten.
  • Transparente Bemessungs- und Verwendungskriterien bei der Vergabe von weiteren Hilfen, um eine gerechte Verteilung sicherzustellen.

Die niedersächsische Regierung muss ihre Verantwortung für die Studierenden in
Niedersachsen auch nach der Wahl wahrnehmen und so den Zielen des Koalitionsvertrages folgen.Wir fordern Sie auf, die oben genannten Maßnahmen umzusetzen und somit die Zukunft der
Studierenden in Niedersachsen über 2023 hinaus zu sichern. Es ist noch immer „Keine Zeit
für Sprüche“.